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Eine Welt ohne Insekten?                                                                    Text von Martina Rüther - Januar 2018 -


Seitdem ich selbst Bienen halte, erlebe ich die Jahreszeiten viel intensiver. Ein sich immer wiederholender Jahreslauf: Das Anwachsen des Bienenvolks im Frühling. Der Sommer, in dem die Bienen sich schon bald wieder auf den Winter vorbereiten. Der Herbst, in dem die Früchte des Frühlings geerntet werden können. Und der Winter, in dem die Natur sich zurückzieht wie auch die Bienenvölker.

Äpfel – im Jahr 2017 Mangelware. Doch wer im vergangenen Herbst auf der Streuobstwiese Äpfel ernten wollte, kam vergeblich. Nur vereinzelt hingen Äpfel an den Bäumen. Wie ist das zu erklären? 2017 war ein regelrechtes Ausnahmejahr, denn es gab so wenige Äpfel wie seit ca. 25 Jahren nicht mehr. In ganz Europa wurden erhebliche Ernteausfälle gemeldet, so dass nur die Hälfte der Früchte im Vergleich zu normalen Jahren geerntet werden konnte. Als Grund wurden die Kälte und Nässe im Frühjahr ausgemacht. Für die Blüten war es einfach zu kalt und für die Bienen zu verregnet, um die Blüten zu bestäuben.

Auch wenn nur die Witterung der Grund für die schlechte Ernte war, bekomme ich ein mulmiges Gefühl: Wie wäre es, wenn es keine Bienen mehr gäbe? Etwa ein Drittel unserer Nahrungsmittel wird von Bienen bestäubt. Dazu gehören u. a. Äpfel, Erdbeeren, Tomaten, Möhren, Gurken, Paprika, aber auch Kaffee und Tee. Ohne Bienen wäre Obst ein Luxusgut und Vitaminmangel wieder weit verbreitet.

Wenn es um Bestäubung geht, denken die meisten vor allem an die Honigbiene. Vergessen werden dabei ihre wilden Verwandten: die Wildbienen. Diese sind kaum bekannt. Dabei sind sie extrem wichtig. Für eine optimale Bestäubung, so Forscher, sind Wildbienen und Honigbienen nötig. Mittlerweile stehen von den 560 einheimischen, meist solitär lebenden Arten viele auf der Roten Liste.

Doch es geht nicht nur um die Bienen. Wer vor 30 Jahren Auto fuhr, weiß, wie die Windschutzscheibe am Ende einer Autobahnfahrt aussah: Alles voller toter Insekten. Das hat sich geändert. Insektenkundler haben das bestätigt. In einem Zeitraum von 27 Jahren sind die Fluginsekten gebietsweise um 80% zurückgegangen. Und das bedeutet: Vögeln fehlt es an Nahrung, Schädlingen an Feinden, Blüten an Bestäubern. Der namhafte Insektenforscher Edward O. Wilson gibt der Menschheit noch 10 Jahre nach dem Aussterben der Insekten. Die Gründe für den Insektenschwund sind sicher allen bekannt: schwindende Vielfalt auf den Feldern, schrumpfende Lebensräume und hoher Einsatz von Pestiziden. Dabei geht es vor allem um die Neonicotinoide, ein Nervengift, das in alle Teile der Pflanze geht inklusive Blüte.

Mein Traum: ein Netz von Naturgärten

Trotz alledem sollte man, frei nach Daniele Ganser, ruhig in den Abgrund schauen, sich aber nicht runterziehen lassen. Ich habe gelesen, dass in Großbritannien die Fläche der Gärten größer ist als die Fläche der Naturschutzgebiete. Mein Traum: Wenn jeder seinen Garten in ein Insektenparadies verwandeln würde, wäre das schon ein erster Schritt! Warten wir nicht auf die Politik, dann ist es vielleicht schon zu spät. Und noch ein letzter Spruch, abgewandelt nach Martin Luther: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch eine Blumenwiese anlegen.


Vortrag (Textauszug) von Martina Rüther während der Norddeutschen Apfeltage 2014

Seit ich Bienen halte, habe ich einen anderen Blick für die Natur bekommen. Ich sehe an meinen Bienen und in der Natur, dass es zu wenig Blüten gibt. Jeder hat die Verantwortung, etwas für die Bienen und anderen Blütenbesucher zu tun. Da die Landschaft so sehr verarmt, gewinnen unsere Gärten an großer Bedeutung für die Tiere.

Tipps für den Garten oder Balkon:

- keine Pestizide spritzen

- „wilde“ Ecken im Garten lassen

- im Herbst nicht alles abschneiden und wegräumen

- ungefüllte Blumen / Bienenblumen / heimische Pflanzen bevorzugen

Eine Auswahl an bienenfreundlichen Pflanzen für Garten oder Balkon:

Frühtracht:

Winterlinge, Christrose, Weide, Krokus, Kornelkirsche, Kirschbaum, Johannisbeere, Brombeere, Himmelsleiter, Buschwindröschen, Adonisröschen.

Sommertracht:

Flockenblume, Sonnenblume, Stockrose, Weiderich, Esparsette, Weidenröschen, Mauerpfeffer, Thymian, Kugeldistel, Alant, Ysop, Mariendistel, Sonnenhut, Sommeraster, Buschmalve, Koriander, wilder Wein, Duftnessel, Dahlie (ungefüllt!).

Spättracht:

Besenheide, Goldrute, Herbstaster, Efeu (blüht erst ab 8 Jahren), späte Himbeere, Malven, Eibisch.